Unsere Paradeuniformen
Die Wiedereinführung der historischen Kleidung war ein Ziel, das sich Vereinschef Heino Neuber bei seiner Wahl Anfang 2013 gestellt hatte.
Ein Rückblick: Wir schreiben das Jahr 1993. Der unmittelbar nach der Wiedervereinigung gegründete Förderverein entscheidet unter größtem Zeitdruck – und um sich überhaupt in einem Habit präsentieren zu können – für die Anfertigung von Uniformen nach einer Vorlage aus Nordrhein-Westfalen. Wie sich erst sehr viel später herausstellen wird, ist diese Montur nach den 1934er Vorschriften über die bergmännische Kleidung gestaltet und den Richtlinien des Dritten Reiches verpflichtet, gegen die sich gerade Oelsnitzer Kumpel damals sehr gewehrt haben..
Der Verein gerät erneut in Zugzwang, offenbart diese Erkenntnis doch den Widerspruch zu den heimatlichen Traditionen, denn das hiesige Bergmannshabit ist historisch gewachsen. Wenn auch die Planitzer Bergknappen bereits um 1800 über eine Köhleruniform verfügten, so ging doch die eigentliche Festkleidung der Kohlenreviere Zwickau und Lugau-Oelsnitz aus den Traditionslinien des sächsischen Erzbergbaues hervor. Ausgehend von den in Jahrhunderten geschaffenen Grundlagen, die zugleich durch Zuzug von Trägern dieser Kultur aus den Erzbergbaugebieten eingeführt und gepflegt wurde, hat sich durch eigene Festlegungen, verbindlich gewordene Besonderheiten und Übernahmen aus der Mode der Zeit schließlich eine eigenständige bergmännische Standeskleidung herausgebildet.
Die bis zum 18. Jahrhundert aus dem ursprünglichen bergmännischen Habit zu einer wirklichen Uniform gewandelte berufstypische Tracht - zuletzt entscheidend gefasst im Reglement für die Dienstkleidung der bei dem Berg- und Hütten-Wesen im Königreiche Sachsen angestellten Bergwerks-, Staats- und Gewerkschaftlichen Diener von 1842 – bildete die wesentliche Grundlage für die bestimmenden Festlegungen, die die bergmännische Hierarchie innerhalb des Steinkohlenbergbaues in Westsachsen sichtbar machten. Gab es – von verschiedenen Einkleidungsordnungen getragen – zwischen den beiden Revieren und einzelnen Werken auch Unterschiede, setzten sich doch die wesentlichen Kennzeichen bei der hiesigen Paradekleidung durch: so die unbedingte Farbkombination von Schwarz mit Silber, ein einheitlicher Schnitt bei Puffjacken und Kitteln, das Tragen vornehmlich langer schwarzer Hosen, die Farben Schwarz und Weiß bei den Federstutzen und die durchgängige Verwendung der Meißnischen Mauerkrone an den Schachthüten bei allen Dienstgraden und Gewerken.
...als die hiesigen Trachten zugunsten einer Arbeitsfront-Uniform abgeschafft werden sollten, schrieb der Geschäftsführer des Bergbaulichen Vereins für Zwickau und Lugau-Oelsnitz an den Bezirksleiter der Arbeitsfront in Sachsen: „Es ist mir … insbesondere aus dem Lugau-Oelsnitzer Revier Mitteilung geworden, daß die Belegschaften durch diese Regelung enttäuscht seien und die Einführung des Bergkittels wünschten.“ Man setzte sich erfolgreich zur Wehr und so wurde festgelegt: „An der in den einzelnen Bezirken altüberlieferten Knappentracht der Bergleute wird nichts geändert.“ Selbst die einheitlich für Beamte und Angestellte vorgesehenen neuen Uniformen setzten sich kaum durch. 1945 rettete man durch eine eigens herbeigeführte Verordnung das Habit vor dem Volksopfer für die Wehrmacht.
Selbst die tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten nicht bewirken, dass man an der überlieferten Paradekleidung festhielt. Auch die Einführung des Bergmanns-Ehrenkleides durch die Regierung der DDR änderte daran wenig. Zu öffentlichen Anlässen, wie zu Aufzügen anlässlich des Tages des Bergmannes, trug man die historischen Uniformen noch bis in die 1970er Jahre.
Umsetzung
Diese eindrucksvolle Geschichte spiegelt sich nun in der Gegenwart. So ist es dem Förderverein des Bergbaumuseums in jahrelanger konzentrierter Arbeit gelungen, anhand erhaltener, authentischer Kleidungs- und Ausrüstungsstücke, Einkleidungsordnungen sowie vergleichender Auswertung historischer Fotografien wertvolle Repliken von Bergmanns- und Beamtenuniformen des einstigen Kohlengebietes um Lugau-Oelsnitz anfertigen zu lassen und als wesentlichen Bestandteil unserer Traditionslinien für die derzeit 28 Habitträger wieder einzuführen. Haben sie doch zum Gesicht unseres Reviers gehört, wie der Förderturm des Bergbaumuseums bis heute die Landschaft prägt. Durch das Auftreten in den altehrwürdigen Paradeuniformen soll die Bedeutung unserer Bergbaugeschichte nach außen getragen werden, die maßgeblichen Anteil an der Entwicklung unserer Region zu einem bedeutenden Wirtschaftsgebiet innerhalb des deutschland- und europaweit führenden Industrie- und Innovationsstandortes Sachsen besitzt. Und es soll zugleich eine Würdigung unserer Vorväter sein, die durch ihr Wirken zu diesem Ergebnis beitrugen und denen ihre Tracht wichtiger Ausdruck des Berufsstolzes war.
Die Anschaffung des neuen Habits stellt den Verein dabei nicht nur vor Herausforderungen im Hinblick auf die Beschaffung von originalgetreuen Ausstattungsstücken, sondern ist zudem mit hohen Kosten verbunden. Dies ist unter anderem darin begründet, dass für die Anfertigung der Paradeuniformen keine Teile der bisherigen Habits verwendet werden können und zur Erreichung eines weitgehend an die historischen Vorlagen angelehnten Erscheinungsbildes zum Teil Spezialanfertigungen notwendig sind. Dabei bestehen die Bergmannsuniformen aus schwarzem Paradekittel mit silbernen Knöpfen, schwarzer langer Hose, schwarzem Schachthut mit weißer Bebänderung, Kappenschild und sächsischer Kokarde sowie Stutz aus schwarzen, hängenden Hahnenfedern, Bergleder mit Koppelschloß und der Bergbarte, während sich die Beamtenuniformen aus schwarzer Puffjacke mit silbernen Knöpfen, schwarzer langer Hose, schwarzem Schachthut mit silberner Bebänderung, Kappenschild und sächsischer Kokarde sowie Stutz aus schwarzen und weißen, hängenden Hahnenfedern, Schurz aus Tuch, Säbelgehänge mit Schlangenschloß, vernickeltem Säbel und dem Steigerhäckchen zusammensetzen.
Da es nicht gelungen ist, über bestehende Förderprogramme finanzielle Zuschüsse zur Umsetzung des Vorhabens zu erhalten und dieses damit in der Umsetzung zu befördern, sparte der Verein im Rahmen seiner Möglichkeiten in den letzten Jahren Mittel an und warb zusätzliche Gelder ein. Zu den direkt auf das Vorhaben bezogenen Spendern gehörten unter anderem die Stiftung lebendige Stadt Oelsnitz im Erzgebirge, die Erzgebirgssparkasse, die Gemeinden Hohndorf (Erzgeb.) und Gersdorf oder der Ostdeutsche Sparkassenverband. Nicht zu unterschätzen waren Sachspenden, wie die nachgefertigten Schlangenschlösser durch die NRU GmbH in Neukirchen oder die Anfertigung der aufwendigen Holme für die Steigerhäckchen durch Tischlermeister Heiko Kretzschmar aus Brünlos.
Zur neuen Uniform gehört auch das sogenannte "Arschleder", oder wie die Frauen lieber sagen "Bergleder". Im Altbergbau sind die Bergleute auch auf diesem Leder in die Grube gerutscht. Verantwortlich für die Herstellung der insgesamt 18 benötigten "Arschleder" ist der Orthopädieschuhmachermeister Bernd Oeser (Neuoelsnitz). Die bis zu 38cm langen und 72cm breiten Stücke bestehen aus 3mm starken Rindsleder.
In Eigenleistung haben mehrere Bergkameraden von der Stadtverwaltung Lugau/Erzgeb. übergebene, historische Bergbarten aufgearbeitet. Die daran vorgenommenen Arbeiten reichten von der aufwendigen Entfernung korrodierter Flächen auf den Blättern bis zum Ersatz von Holzteilen und Knochenplatten an den Holmen.
Um die angeführten Herausforderungen im Hinblick auf die Beschaffung von einzelnen Komponenten nochmals kurz darzustellen, sollen an dieser Stelle nur wenige ausgewählte Zubehöre herausgegriffen werden. So erforderte die Herstellung der Federstutze nach den originalen Vorbildern aus der Sammlung des Bergbaumuseums langwierige Überredung seitens des Vereins und darauf folgende Bemühungen seitens der Lieferfirma Hut & Putz GmbH in Altenburg, da naturfarbige Hahnenfedern in dunkelgrün/schwarz kaum noch zu beschaffen sind. Die Anfertigung von Kordeln, Paspeln und Fransen (insbesondere Bouillonfransen für die Armtouren der Puffjacken) konnte erst nach monatelanger intensiver Suche nach einem möglichen Hersteller beginnen, da selbst die einschlägigen Fertiger von bergmännischen Paradeuniformen auf zum Teil nicht tragbare Kompromisse ausweichen, die einer wirklichen Traditionspflege entgegen stehen. Die im Erzgebirge früher weit verbreitete Herstellung von Bouillonfransen ist erloschen, selbst Anfragen in Italien blieben ergebnislos. Aus Altbeständen konnten schließlich silberne erworben werden, auf die schwarzen müssen wir im Moment noch geduldig warten, da die Herstellerfirma in Niedersachsen diese nur bei schwacher Konjunktur arbeitet. Die Produktion der notwendigen Uniformknöpfe in passender Form und nach historischem Muster nahm eine Firma in Österreich vor – auch dem ging eine lange Suche voraus. Ähnlich schwierig gestaltete sich die Nachfertigung der einst im Erzgebirge weit verbreiteten Schlangenschlösser für die Säbelgehänge, die in einem komplizierten Vorgang nachgegossen werden mußten. Doch geht es uns bei allem auch darum, im Sinne nachhaltiger Traditionspflege – bei unvermeidlichen Kompromissen – den überlieferten Angaben und Stücken möglichst nahe zu kommen.
Aktuelle Habitträger
- Siegfried Boden - Häuer
- Dagmar Borchert - Häuer
- Marion Dittmann - Häuer
- Heinz Dörner - Häuer
- Günter Doveren - Fahnenträger
- Jan Färber - Steiger
- Katrin Fischer - Häuer
- Jürgen Förster - Häuer
- Manuela Fritzsch - Steiger
- Günter Gränitz - Häuer
- Johannes Großer - Häuer
- Bernd Hahn - Reviersteiger (Organisator)
- Gunar Heinl - Häuer
- Ekkehard Hentschel - Häuer
- Udo Heymann - Häuer
- Steffen Hübner - Häuer
- Joe Jacob - Zimmerling
- Andreas Lange - Schmied (Fahnenträger in Vertretung)
- Rolf Linke - Häuer (Geleuchtwart)
- Michelle Löschner - Häuer
- Klaus Michaelleck - Häuer
- Kersten Müller - Steiger
- Harald Neuber - Häuer
- Heino Neuber - Obersteiger
- Petra Neubert - Häuer
- Ronny Queck - Häuer
- Siegfried Rantzsch - Häuer
- Horst Schmerder - Häuer
- Reinhard Schröder - Häuer
- Thomas Völker – Häuer
- Sören Wittig - Steiger